Hochsensibilität in meinem Alltag

Hochsensibilität in meinem Alltag

Wir sind von Natur aus am glücklichsten, wenn wir unserer angeborenen Neigung folgen

Aristoteles

Es gibt Tage da schwirrt mir Abends einfach nur der Kopf. Gedanken strömen in konstantem Fluss durch meine Nervenbahnen und fangen an, an mir zu nagen. Es fühlt sich an als ob gerade alles Zuviel ist- Zuviel erlebtes, Zuviel unverarbeitetes. Die Gedanken werden zunehmend schwerer und dunkler und ich fange an mich damit zu identifizieren, was mir Energie raubt.

Warum nur fühle ich mich so? Warum ist alles Zuviel?

Lasst uns an der Stelle einen kurzen Abstecher in die Neurowissenschaften machen, um euch ein Gefühl zu geben was das Gehirn wirklich alles an Informationen in einer Sekunde im Bewusstsein & Unterbewusstsein verarbeitet:

  • Der bewusste Verstand nimmt pro Sekunde ca. 8 Infos wahr; um Gedanken zu formulieren braucht er im Durchschnitt 3 Sekunden
  • Das Unterbewusstsein  eines Menschen bricht alle Rekorde: es verarbeitet 80.000 Infos pro Sekunde -> 10.000 mal schneller  als Bewusstsein  (Quelle:  Buch „Panikattacken loswerden“, Klaus Bernhardt, S. 38)


All die zu verarbeiten Informationen des Gehirns resultierten aus der Wahrnehmung unserer sechs Sinne (Sehen, Riechen, Schmecken, Hören, Fühlen und der Gleichgewichtssinn) und der Rückmeldung von Organen.

Hochsensible Menschen hingegen haben eine weitaus intensivere sinnliche Wahrnehmung.  Dieses äußert sich für manche in einer extrem feinen sinnlichen Wahrnehmung z.B. scharfes Essen. Für andere kann es aber in einer weniger ausgeprägten sinnlicher Wahrnehmung resultieren, einfach dadurch, dass man komplett in der Innenwelt lebt und dadurch damit voll und ganz damit beschäftigt ist.

Das Phänomen der Hochsensibilität wurde erst Anfang der 90er Jahre von Elain N. Aron wirklich erforscht und somit erstmals in seiner Existenz bestätigt- wenn auch noch nicht wissenschaftlich ergründet. Seither gibt es vermehrt Literatur zu dem Thema, das gerade im Trend zu liegen scheint und immer wieder neue Erkenntnisse. Vielfältige Online Tests sind im Internet zu finden um herauszufinden ob man zu den 15-20% aller Menschen gehört die von dieser veränderten Wahrnehmung betroffen sind.

Buchtips zu dem Thema, die mir selbst sehr hilfreich waren, sind:

  • Sind sie Hochsensibel, Elain Aron
  • Hochsensibel? Was tun?, Sylvia Harke
  • Wenn Frauen zu viel spüren, Sylvia
  • Die Berufung für Hochsensible- Gratwanderung zwischen Genialität und Zusammenbruch, Luca Rohleder
  • Das Hochsensible Kind, Elain Aron (wenn man hochsensible Kinder hat)
  • Hochsensible Mütter, Brigitte Schorr

Ich persönlich kam erst vor ca. 5 Jahren darauf,  das ich hochsensibel bin. Seit längerem suchte ich jedoch nach Infos zur der Existenz meiner Wahrnehmung, da sie mir häufig abgesprochen worden war. Es musste doch einen Grund geben warum meine Wahrnehmung der Welt und Herangehensweise an Dinge immer anders war als die anderer. Das führte ganze führte meist dazu, dass ich mich meist nie zugehörig zu anderen „normalen“ fühlte.

Im Gegensatz zu den meisten, dachte ich schon immer viel nach, war deshalb vorsichtiger, ruhiger, vertiefter und nahm generell enorm viel wahr. Zudem hatte ich ein anderes Glaubens- und Wertesystem als die meisten. Ich glaubte schon immer unerschütterlich an das Gute in jedem Menschen, egal wie er drauf ist. Verbundenheit mit Natur & Menschen war für mich immer das essenziellste und unglaublich heilsam und wohltuend. Die Lehre der Quantenphysik bestätigt heutzutage glücklicherweise das mein Empfinden das alles Energie ist und in Verbindung zueinander steht. Wenn ich das in meiner Jugend jemand erzählt hätte, hätte man mich wohl für extrem „anders“ gehalten. Generell ist meine Erfahrung, dass hochsensible Kinder die ihre Natur auslebe, als „schwierig“ von der Gesellschaft eingestuft werden.

Denn je nach Fähigkeiten können die sensiblen Kinder enorm durchsetzungsfähiger, gerechtigkeitsliebender, zuwendungsbedürftiger und willensstärker sein in den Dingen die ihnen wichtig sind. Diese positiven Eigenschaften wirken jedoch auf die Gesellschaft, als auch auf Eltern, manchmal etwas überfordernd. Ich persönlich habe aufgrund der Überforderung meiner Eltern in manchen Dingen selbst früh gelernt lieber gar nicht ich selbst zu sein. Wodurch ich erst in meinen späten 30er Jahren gelernt habe wer ich bin und was mich wirklich im Herzen berührt.

Was mir schon immer auffiel, war mein enorm ausgeprägten Hörsinn. Es fühlt sich manchmal an, als ob ich von einer Geräuschlawine überrollt werde, wenn ich vor die Tür trete.
Leider werden wohltuende Geräusche meist von nervenaufreibenden Geräuschen überlagert. Deshalb gibt es für mich nichts schlimmeres als in einem lauten Großraumbüro zu sitzen oder in einem geräuschreichen Umfeld zu leben. 
Es kostet mich dann echt enorm Energie meinen Fokus, Konzentration, Inspiration, Kreativität und vor allem meine innere Balance aufrecht zu erhalten.


Was mir enorm hilft um wieder in meine Mitte zu kommen ist meist Zazen, geführte Meditation, in der Natur sein und seit neuestem auch Noise-canceling Kopfhörer. Dank der Kopfhörer gelingt es mir, manchmal kurz der lauten Welt zu entfliehen und mich etwas in Ruhe zu sammeln. Es gibt echt nichts schöneres als in der Natur mit solchen Kopfhörern zu meditieren – fühlte mich sofort total befreit.

Was seither auch immer wieder meine innere Balance als „zensible“ herausfordert ist mein siebter Sinn: Meine Intuition/Empathie/Bauchgefühl ist nämlich sehr stark ausgeprägt.

Das äußert sich meist so, dass ich die Atmosphäre eines jeden Raumes und Menschen wahrnehmen kann. Jedes kleinste Detail wird von mir visuell wahrgenommen wie z. B. feinste Mimik und Gestik, Körperhaltung und Positionierung im Bezug zu anderen und natürlich vor allem was energetisch emotional in jedem Menschen und zwischen den Menschen abgeht. In Gruppen von Menschen zu sein, bedeutet für mich deshalb einen enormen Energieverbrauch. Wenn es sich vermeiden lässt umgehe ich Gruppensituationen auch gerne, denn mein Ego hat sich hier in der Vergangenheit beträchtliche Wunden eingefangen die arg schmerzen.


Es fällt mir noch heute schwer diese ausgeprägte Empathie (mein siebter Sinn) zu kontrollieren und gezielt zu nutzen. Auch wenn es für mich enorm kräftezehrend ist damit zu leben, lerne ich das Geschenk das darin liegt immer mehr zu sehen und zu akzeptieren.

Um besser mit dem Sinn umgehen zu können sind für mich folgende Schritte wichtig:

  1. Fokus auf das Hier & Jetzt; um sich von Vergangenheitsbezug und alten „Problemen“ zu distanzieren -> Ankommen in der Realität (raus aus der Vergangenheit); primär geht das über Wahrnehmungsübungen und Atmung.
  2. Fokus auf mich; um zu unterscheiden welche Emotion zu mir gehört und welche zum anderen
  3. Wahrnehmen der momentanen Emotionen -> zur späteren Integration (meine Gefühle) oder zur Nutzung um mit anderen bezüglich ihrer Emotionen ins Gespräch zu kommen
  4. Loslassen der Emotionen bzw. emotionale Distanzierung (wenn es sich nicht um eigene Gefühle handelt).
  5. Erdung; durch Zazen/Meditation/Atmung mit Fokus auf den Körper!
Das wichtigste dabei ist für mich raus aus dem Kopf und rein in den Körper! Mich fühlen, spüren und umsorgen. Mitgefühl ist hierbei die halbe Miete. Denn es belastet und klappt nicht immer diesen siebten Sinn zu „kontrollieren“ so das manchmal noch die „Flucht“ aus der Situation hilft.
Meines Erachtens nach brauchen hochsensible dadurch mehr Zeit für sich um in Ruhe aufzutanken, ihre Gedanken loslassen und sich erden zu können. Auch mehr Schlaf ist wichtig damit das Gehirn in der Nacht im Unterbewusstsein aufräumen und die Wogen des Meeres an Information im Gehirn eines hochsensiblen glätten kann.

Was mir dabei tagsüber auch gut tut, ist bewusstes atmen und verschiedene körperliche Übungen die den Abgleich der rechten mit der linken Gehirnhälfte unterstützen, als auch die Verarbeitung der Informationen die von den Organen an das Hirn gesendet werden. Stichwort ist hier die Arbeit mit dem Vagusnerv der die Informationsübertragung und Verarbeitung zwischen Körper und Gehirn ausgleicht (Buchtipp: Neuronale Heilung, Lars Lienhard).

Ich bin froh das ich heute schon besser gelernt habe mit meiner „Andersartigkeit“ zu leben und mich eher als das einzigartige Wunder zu empfinden das ich bin – das wir alle sind!

Von Herzen alles liebe,

Silke