Von einer neuen Art der Freiheit und ihren Learnings

Ende dieser Woche wären es acht Wochen geworden in denen wir uns grösstenteils Indoor, ohne Familie und Freunde beschäftigen durften – Ausgangssperre mit mal selbstgewählter mal verordneter Quarantäne in Corona-Zeiten.

Ehrlich anfangs hätte ich es nicht für möglich gehalten, sowas lange durchzustehen – noch dazu mit Kleinkind zuhause. Mit der Zeit wich die anfängliche Überforderung von 24 Stunden Kleinkind Betreuung, Haushalt und all den neuen Gefühlen und Unsicherheiten jedoch.

Aufgrund meiner Hochsensiblität habe ich im Punkto Gefühlslage und Veränderungen echt immer viel im Kopf. Mein Hirn wird ein regelrechtes „Monkey-Mind“, dass ohne Unterlass versucht alle Gefahren der neuen Situation zu erkennen, durchzudenken und wenn möglich gleich noch 1-3 Notfallpläne aufzustellen. Ich hoffe spätestens jetzt ist für euch klar was meine Überforderung begünstigt :).

Ich bin in den letzten Jahren regelrecht zu einem Analyse-Tool geworden. Was irgendwie komisch ist, denn mein letzter anvisierter Traumjob war „Business Analyst“. Ich glaube ich wäre perfekt in dem Job gewesen, wenn das Leben für mich nicht einen anderen Weg gewählt hätte :).

Zurück aber zur Freiheit die uns aktuell in Bayern wieder teilweise gegeben wurde, endlich können wir Familien wieder mit unseren Kindern auf Spielplätzen rumtollen und auch mal mit einer „haushaltsfremden“ Person aka „Freunden“ spazierengehen.

Ich bin zwar seit ich Familie habe sowieso ganz gerne ein Sofa-sitzender-Leser oder Netflix-Schauer, aber ich muss sagen jetzt kommt für mich die unfassbarste Erkenntnis der gegenwärtigen Lage – ich zitiere mein Learning hier wörtlich:

„Diese Zeit der Einschränkung meiner persönlichen Freiheit hat mir mehr emotionale Freiheit oder auch mehr inneren Frieden gebracht!“

Für mich, die ich gerade gesundheitsbedingt zuhause ist, kam diese „von Oben verordnete Auszeit“ zur richtigen Zeit. Es brachte mich dazu mir die Zeit zur inneren Reflektion nehmen zu können und vor allem die notwendige Entschleunigung zu haben – die unsere Welt echt dringend nötig hat. Zum ersten Mal in meinem Leben nichts tun „zu müssen“ war sehr entlastend für mich. Mir fiel erstmal auf, was für mich alles stressig ist als Mama, die normalerweise in Teilweit 28 Std die Woche arbeitet und danach noch bis durch die Nacht Kleinkind-Betreuung und Haushalt macht. Habt ihr Ladies eigentlich schon mal eure wöchentlichen Arbeitsstunden hochgerechnet – Arbeit, Haushalt, Familienorga, Einkauf und Kind? Ich kam da gut und gerne – sanft überschlagen- bei 120 Std pro Woche raus.

Das soll jetzt keine Anklage in Richtung männliches Geschlecht werden, vielmehr ist es eine Feststellung das eine Frau i. d. R. einfach viel mehr Baustellen und Stunden pro Woche hat als die meisten Männer in ihrem Vollzeit Job. Teilweise ist das meiner Meinung nach noch immer ein gesellschaftliches Versäumnis, aber auch Arbeitgeber und Staat tragen nicht gerade zur Entlastung der Mütter und Frauen bei.

Aber zurück zu all den Dingen die ich merkte zu „müssen“:

  • früh aufstehen – im Hinblick auf fehlenden Schlaf und unausgewogenen Schlaf/Wachrhytmus
  • Zweikämpfe mit Kleinkind beim morgentlichen aufstehen und anziehen
  • Kindergarten-Gang-Drama („Nein ich will nicht, ich leg mich jetzt hin und steh nicht mehr auf“)
  • das Rennen zum Kindergarten und der Arbeit um halbwegs „on Time“ zu sein
  • Konstrukt „Teilzeit“: schnellstmöglich alle Aufgaben (meist 100% auch wenn man „nur“ 70% arbeitet) abzuarbeiten und dabei zu versuchen noch ein bisschen mit den Kollegen zu reden um wenigstens halbwegs informiert zu sein und tragfähige Arbeitsbeziehungen zu etablieren. Ich hoffe das, dass aktuell erlebte Home Office Experience zukünftig auch mehr den Teilzeit-Arbeitern zugute kommt. Arbeiten sollte für Mütter zeitliche flexibler sein.
  • das Rennen zum Kindergarten um pünktlich das Kind einzusammeln und sich dabei hoffentlich keine Rüge über erzieherisches Fehlverhalten oder Verfehlungen des Kindes einzufangen 😉 -> teilweise fühlt es sich für mich gestresste Mama einfach oft so an, aber andererseits verstehe ich die Erzieherinnen natürlich – sie machen auch nur ihren Job und noch dazu gut.
  • Der „HEIMWEG“ -> an manchen Tagen sehr entspannt und sogar von Kommunikation mit dem vierjährigen durchwoben an anderen eher voll Trotz, Tränen und Wut gekennzeichnet. Denn an vielen Tagen ist das Kind auch einfach gestresst von der Lautstärke im Kindergarten, all dem was er tun „muss“ und müde von der Aktivität. Unser beider Energiereserven gehen an so manchen Tagen einfach gegen Null. Auftanken ist dann dringend nötig bevor…
  • das Rennen zum Spielplatz, zu Kursen oder Playdates – wobei ich mir zum Glück bereits vor der Ausgangssperre immer mehr dachte: wir machen es uns zusammen zuhause gemütlich. Erstmal ein Cafe für mich & ein Kakao für den kleinen – das ist unsere Routine für einen (halbwegs)guten Start in den späten Nachmittag.
  • Alle weiteren organisatorischen Dinge über die Kinderbetreuung hinaus, wie: Haushalt erledigen, Schneider/Schuster/Wäscherei …Erledigungen, Arzttermine für Kleinkind & mich, neue Klamotten für Kids organisieren, Einkäufe, Kochen, Orga Treffen Familie, Orga Treffen Playdates, Orga Treffen Freunde (in Absprache mit Partner) Orga Geburtstage & Geschenke, Orga Ausflüge & Urlaube, Steuer, Finanzen, Versicherungen etc..

Ich denke das deckt sich ungefähr mich den Dingen die man gefühlt als Mutter/Frau größtenteils tun „muss“, wenn man mit einem gewissen Anspruch lebt. Nach all den erledigten Punkten fühlte sich mein Privatleben – sogar jedes Treffen mit Freunden, jeder Event oder Kinobesuch oftmals auch wie ein „muss“ an. Es war einfach viel zu wenig Energie am Ende des Tages übrig. Vor allem wenn zusätzlich der Schlaf fehlt, was mit Kleinkind, das auch eine zeitlich oft schwer krank war, echt kraftzehrend ist.

Dieses Learning über die Energiefresser ist für mich revolutionär und überaus befreiend. Obwohl es mir natürlich immer klar war, dass mich das alles Energie kostet, ist es doch etwas anderes es schwarz auf weiß zu sehen. Ich spiele all das was ich tue nämlich ganz gerne herunter und kritisiere mich ständig dafür das ich dies und jenes nicht noch besser hinkriege. Dieser lästige Perfektionismus…

Ich fände es echt interessant zu wissen, ob ihr jetzt durch die verordnete Entschleunigung auch besser seht was euch Kraft kostet?

Das größte persönliche Learning aus der Ausgangssperre ist meine Persönlichkeitsentwicklung, mit folgenden Facetten:

  • Entwicklung von mehr Bewusstheit, Verantwortungsbewusstsein mir gegenüber und Achtsamkeit: Ich hatte durch mehr Entschleunigung im Leben die Kraft meine Gedanken, Emotionen, Glaubenssätze und Verhalten zu entdecken- sie aufzuspüren und mit ihnen zu arbeiten. Es gibt so viel was schon beim Aufstehen an negativen Glaubensätzen in mir aufkam, doch das dies so automatisiert abläuft nahm ich vorher gar nicht mehr bewusst wahr. Jetzt jedoch merkte ich das mich vor allem diese vor Jahrzehnten erworbenen Glaubenssätze beeinflussten: „das Leben ist hart“ und „du musst leisten damit wer aus dir wird bzw. du überhaupt gemocht wirst“. Zudem hilft mir mehr Bewusstsein dabei eingefahrerene Muster die aufgrund von Bewertungen bzw. Vergleichen zu entstehen zu entlarven: „ich müsste meinem Kind mehr bieten“ oder „die Art von xy finde ich total doof“. All diese Vergleiche oder Bewertung rauben mir als hochsensibler sehr viel Energie aber erst jetzt kann aktiv werden und diese Gedanken distanziert wahrnehmen, spüren und ziehen lassen. Ich spüre jetzt in meinem Herzen wie wichtig es mir ist verantwortungsbewusst mit meinen Gedanken und Emotionen umzugehen. Ich habe erkannt das ich die Wahl habe wie ich mich heute fühlen will. Ich bin der „Schöpfer meiner Wirklichkeit“ (by Joe Dispenza – Neurowissenschaftler & Coach).
  • Entdeckung wie gut es sich anfühlt „zu sein“: irgendwie bin ich über den Zen-Buddismus und die darin praktizierte Meditation Zazen gestolpert. Diese verkörpert für mich die Freitheit endlich bei mir zu sein – mein vollkommenes Selbst in mir zu spüren. Zu entdecken wer ich wirklich hinter all den gemachten Erfahrungen und falschen Glaubenssätzen bin. Geholfen bei mir „zu sein“ hat mir auch das wunderschöne Lied von India Irie „I am Light“ . Es gibt da eine Songzeile die lautet „ich bin nicht meine Gedanken“, das hat mich tief berührt so das ich diese Worte zum erstmal nicht nur mit meinem Kopf sondern mit meinem Herzen verstanden habe.
  • Ressourcenausbau: Dahinter steht für mich die Frage: was tut mir wirklich gut und warum? Ich entdeckte meine Spiritualität neu, fand meine Verbindung zur Natur wieder, erlebte die Meditation neu und fand neue interessante Speaker die mich im Herz berührten. Ich entwickelte durch die Ressourcen mehr Nähe zu mir, lernte mich überhaupt erst kennen – vor allem im Bezug auf meine Schatten. All diese Ressourcen fördern spürbar meine Ausgeglichenheit und mein positives Naturell.

All diese Learnings bedeuten für mich mehr persönliche Freiheit oder inneren Frieden den ich mir hoffentlich bewahren bzw. ausbauen kann.

Denn mein Ziel ist es letztendlich „mich endlich als vollkommenes Geschöpf, das bewusst und aus gutem Grund so designed wurde“ anzunehmen.

Ich wünsche euch einen schönen Abend und hoffe ich habe euch etwas inspiriert über eure „Learnings“ der aktuellen Situation nachzudenken- vor allem über die, die euch näher zu euch selbst bringen.

Drück euch,

Silke