Tage des Leidens…

Du weißt ja alles selbst, du weißt in deinem Innersten ganz wohl, dass es nur einen einzigen Zauber, eine einzige Kraft, eine einzige Erlösung und ein einziges Glück gibt und dass es Lieben heißt. Also liebe das Leid! Widersteh ihm nicht, entfliehe ihm nicht! Koste, wie süß es im Innersten ist, gib dich ihm hin, empfange es nicht mit Widerwillen! Nur dein Widerwille ist es, der weh tut, sonst nichts.

Hermann Hesse (Autobiographische Schriften)

Heute also wieder einer dieser „leidvollen“ Tage, ich habe heute „Frühschicht“ da der kleine am Wochenende gut früh aufsteht. Wir schauen uns seine Steinsammlung an und ich kämpfe mit mir um im Hier & Jetzt bei ihm zu sein und nicht in meiner schwarzen Wolke zu verschwinden.

Genau an diesem Punkt an dem ich das bemerke, setzt bei mir der innere Widerstand an – ich „hasse“ es einfach nicht alles geben zu können für ihn – für mich. Schuld, Scham, Schmerz und vor allem Widerstand – aber was bringt mir das?

Genau nichts als erst recht pure „Selbstabwertung“!

Was würde ich einer Freundin in einer Situation raten?

Ich würde ihr verständnisvoll und mitfühlend sagen “ Es ist wie es ist, du gibst dein bestes, diese Gedanken ziehen dich einfach nur runter – nimm sie bitte nicht so ernst.“

Was natürlich auch nicht einfach immer so ad hoc umgesetzt werden kann, aber schon mal entlastet.

Selbstmitgefühl bewahrt uns bewiesenermaßen vor Ängsten & Depressionen. MBSR, das achtwöchtige Programm von John Kabat Zinn oder Mindfull-Self-Compassion von Christina Neff liefern hier super Einführung in das Thema mit vielen praktischen einfachen Übungen.

Ich hab dazu von mega viel gelesen und vieles vor allem die „Mettameditation“, steht für mitfühlende Güte Meditation, bereits selbst angewandt.

In den Phasen der Depression wenn die negative Flutwelle oft über mich hineinbricht ist es mir alleine oft nicht wirklich möglich mich dessen zu erinnern, selbst wenn fehlt oft die Kraft um es umzusetzen.

Deshalb ziehe ich mir oft das Buch & Hörbuch von Christiane Neff „Selbstmitgefühl“ rein das mich immer wieder an der richtigen Stelle erwischt.

Beim lesen des Auszugs von Hermann Hesse aus dem Buch (s.o), kamen mir die Tränen denn die „Selbstgeiselung“ mit dem exessivem inneren Widerstand gegen all das was eine Depression ausmacht, ist schon ein umfassender Bestandteil des Problems.

Keiner mag so eine Krankheit, die so vielschichtig komplex ist wirklich haben. Aber ich hab sie nun ab und an mal, Punkt.

Es bringt nichts mir zu wünschen das es anders wäre, es bringt mir nichts mich mit anderen zu vergleichen, es bringt mir nichts in Angst darüber zu leben wer mich deshalb ablehnt …. – STOPP lieber Innerer Kritiker : das tut nur unnötig weh!

Kennt ihr das der innere Kritiker kreirt gleich irgendwelche destruktiven Zukunftsszenarien sobald man sich dann doch wieder in der Gegenwart eingerichtet hat.

Depression ist ein Tanz hin und her zwischen dysfunktionaler Vergangenheit, zurückfinden in die Gegenwart um dann irgendwann öft mal angsterfüllt in die Zukunft abzugleiten.

Der Widerstand gegen das was ist begünstigt den Impuls in eine andere „Zeitebene“ zu springen – leider oft meist mit negativem Outlook: könnte ja auch denken „hey, wenn ich da wieder aus der depression raus bin, rocke ich mein Leben“!

Na ja auch das ist klar zu viel erwartet! Erwartungen in der Phase möglichst gering zu halten und bewertungfrei bei allem zu bleiben ist für mich Achtsamkeit in dieser Phase – die ich minütlich üben darf.

Heute ist Sonntag, ich bin schlapp von all der Energie die mir durch Widerstand und „arbeit an mir flöten“ gegangen ist und vom funktionieren für meine Familie um mit ihnen dann auch mal wieder ein paar nette Familienmomente zu erleben.

Unseren geplanten Seetag haben wir aufgrund von allgemeiner Energielosigkeit nach unserem gestrigen Schwimmbad Tag heute abgesagt und ich erlaube mir langsam den Wiederstand darüber aufzugeben das es heute wieder schwierig ist irgendwas zu tun. Das meine Gedanken und Wege heute permanent ums Bett zirkeln und bei uns heute alles irgendwie damit verbunden wird.

Ich erlaube mir diesen Lazy Day und versuche den inneren Kritiker zu überhören der Angst vor morgen hat und mir weismachen will „das ich wenn ich heute viel im Bett bin….“

Man wird es dem inneren Kritiker denn niemals langweilig mit seinen Sprüchen – mir schon!

Mein lieber innerer Kritiker, mir geht es heute nicht gut und du machst es nicht besser. Ich weiß du willst mich immer nur schützen aber deine Strategie ist leider veraltet. Gib mir bitte mehr Raum für Selbstmitgefühl, das verdiene ich – genau wie jeder andere!“

Wahnsinn wie viel Offenheit, Milde und Selbstmitgefühl man anderen gegenüber bringen kann und sich selbst so hart angeht!

Das dürfen wir Betroffene uns immer wieder vor Augen führen, die Fragen: Ich das wirklich wahr? Was würde ich einer Freundin raten und wie würde ich mit ihr umgehen im Fall eines „Fehlers“?

Na ja, bestes tun und weitermachen.
Zum Schluss möchte ich euch noch meine Lieblingssichtweise aus dem Buddhismus mitgeben, die “vier edlen Wahrheiten“, die mir mit ihrem ehrlichen Realismus immer wieder helfen meine Perspektive wohltuender zu verändern – Quelle „ Religion entdecken“:

Die Erste edle Wahrheit heißt Dukkha. Sie sagt, dass das Leben aus Leiden besteht.

Die Zweite edle Wahrheit wird Samudaya genannt und erklärt die Ursachen des Leidens: die Gier, das Begehren, den Hass und die Unkenntnis des Menschen.

Die Dritte edle Wahrheit heißt Nirodha. Sie beschreibt die Aufhebung des Leidens, die nur dann funktioniert, wenn der Mensch seine Habgier überwindet.

Die Vierte edle Wahrheit erklärt, dass sich der Mensch vom Leid lösen kann, wenn er die Schritte und Lebensregeln des Achtfachen Pfades befolgt.

Abschliessend bitte nicht vergessen: wir sind viele – du bist nicht allein damit und wir alle werden unseren Weg damit finden!